Arbeitgeber muss 1.000,00 € Schmerzensgeld an eine Arbeitnehmerin für eine rechtswidrige Videoüberwachung im Privatbereich zahlen

Mit Urteil vom 19.02.2015 (Az.: 8 AZR 1007/13) hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt (BAG) die Verurteilung eines Arbeitgebers zur Zahlung von 1.000,00 € Schmerzensgeld an eine Arbeitnehmerin bestätigt.

Die Arbeitnehmerin hatte sich krank gemeldet und legte dem Arbeitnehmer nacheinander mehrere Krankschreibungen vor. Auf Nachfrage teilte sie dem Arbeitgeber zuletzt mit, dass sie einen Bandscheibenvorall hätte.

Der Arbeitgeber glaubte der Arbeitnehmerin nicht und war der Auffassung dass diese krankfeiern würde.

Nach sechs Wochen, mithin nach Ablauf der Lohnfortzahlungspflicht, beauftragte der Arbeitgeber einen Dedektiv mit der Observation der Arbeitnehmerin.

Der Dedektiv spionierte der Arbeitnehmerin in deren Privatleben hinterher und fertigte dabei unter anderem auch Videoaufnahmen.

Die Arbeitnehmerin hatte dadurch erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten.

Sie wollte dafür gut 10.000,00 € Schmerzensgeld, welche ihr erstmals in der Berufungsinstanz vom Landesarbeitsgericht in Höhe von 1.000,00 € zugesprochen wurden.

Das BAG hat in seiner Entscheidung betont, dass eine

heimliche Video-Observation eines Arbeitnehmers durch einen Detektiv ohne berechtigten Anlass rechtswidrig ist

und

eine solche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Schmerzensgeldansprzuch begründen kann.

Die Entscheidung des BAG bestätigt die bisherige Rechtslage, dass heimliche Videoüberwachungen nicht nur im Arbeitsrecht problematisch sind.

Prozessual wurde dies bislang hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt des Beweisverwertungsverbots diskutiert.

Die vorliegende Entscheidung gibt einen sehr krassen Fall wieder, welcher sicher nicht alltäglich vor den Gerichten landet.

Im Ergebnis ist bei heimlichen Überwachungsmaßnahmen – gleich welcher Art – weiter äußerste Vorsicht und Zurückhaltung geboten!

Diese kann und muss immer das letzte Mittel sein und ist nur zulässig wenn es bereits belastbare konkrete Hinweise gibt.

Welche Anforderungen daran zustellen sind musste das BAG nicht entscheiden, da es im vorliegenden Fall keine konkreten Hinweise gab, sondern nur Mutmaßungen des Arbeitgbers, welche sich sehr zu dessen (finanziellen) Leidwesen als falsch herausgestellt haben.

Ob die Arbeitnehmerin wieder genesen und noch beim selben Arbeitgeber tätig ist, ist nicht überliefert, scheint aber mehr als fraglich.

Erfurt, 20.02.2015

Frank Prescher
Rechtsanwalt
Anwaltsmediator

 

SG Heilbronn: Sturz unter Alkoholeinfluss bei Tagung ist Arbeitsunfall

Wer bei einer beruflichen Tagung zu tief ins Glas schaut und deswegen stürzt, muss dies als Arbeitsunfall anerkannt bekommen. Diese Ansicht vertritt das Sozialgericht Heilbronn. Auch bei einem abendlichen Zusammensein im Hotel, das zur Trunkenheit geführt habe, sei über Dienstliches geredet worden.
Kläger nach Sturz unter Alkoholeinfluss längere Zeit arbeitsunfähig

Kläger war ein 58 Jahre alter Betriebsrat eines internationalen Konzerns mit Sitz in der Region Stuttgart. Im April 2010 hatte in einem Hotel eine dreitägige Betriebsräte-Versammlung stattgefunden. Diese dauerte am ersten Abend bis etwa 19.30 Uhr. Mit einem Blutalkoholspiegel von 1,99 Promille stürzte der Kläger in der Nacht im Treppenhaus des Tagungshotels. Er wurde mit Kopf- und Lungenverletzungen bewusstlos in die Notaufnahme gebracht. Danach war er längere Zeit arbeitsunfähig.
SG erkennt Sturz als Arbeitsunfall an

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Der Kläger argumentierte, es sei bei Tagungen üblich, auch beim abendlichen geselligen Zusammensein unter Kollegen über betriebliche Belange zu sprechen. Das SG Heilbronn verpflichtete die Berufsgenossenschaft ETEM (Energie, Textil, Elektro, Medienerzeugnisse) nun, den Sturz auf der Tagung als Arbeitsunfall anzuerkennen. Beim geselligen Beisammensein sei auch Dienstliches besprochen worden. Im Übrigen habe sich der Arbeitsunfall auf dem Rückweg zum Hotelzimmer ereignet.

 

(Quelle Beck-Online)

Mindestlohn-Erhöhung kommt früher als zunächst geplant

Der Mindestlohn von 8,50 Euro soll ein Jahr früher als ursprünglich geplant angehoben werden. Das sieht die geänderte Fassung des Tarifautonomiestärkungsgesetzes (BT-Drs. 18/1558, 18(11)183) der Bundesregierung vor, das der Bundestags-Ausschuss für Arbeit und Soziales am 02.07.2014 mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen hat. Die Linke enthielt sich. Am 03.07.2014 wird der Bundestag in abschließender Lesung über den Entwurf beraten, wie die Bundestagspressestelle mitteilt.

 
Mindestlohn von 8,50 Euro wird ab 2017 voll greifen

Das Tarifpaket sieht vor, erstmals in Deutschland einen flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro ab 2015 einzuführen. Tarifverträge mit einem niedrigeren Brutto-Stundenlohn sollen in einer Übergangsphase jedoch bis Ende 2016 gültig bleiben können, sodass der Mindestlohn erst ab 2017 voll greift. Über die geplanten Ausnahmeregelungen und andere Detailfragen wie die Arbeit der Mindestlohnkommission hatte es jedoch bis zuletzt Diskussionen gegeben. Erst am 30.06.2014 fand dazu eine Expertenanhörung im Bundestag statt.

 
Neu: Separate Übergangslösungen für Zeitungsbranche

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen sieht nun vor, dass die Mindestlohnkommission nicht jährlich, sondern alle zwei Jahre über eine Anpassung des Mindestlohns, orientiert an der nachlaufenden Tarifentwicklung, entscheidet. Der Zeitpunkt der erstmaligen Erhöhung des Mindestlohns wird jedoch von 2018 auf 2017 vorverlegt. Neu sind auch separate Übergangslösungen für die Zeitungsbranche: So sollen Zeitungszusteller ab 2015 einen Anspruch auf 75%, ab 2016 auf 85% und ab 2017 dann auf 8,50 Euro pro Stunde haben. Für alle anderen Branchen sind Übergangslösungen nur aufgrund von Tarifverträgen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz möglich.

 
Auch Ausnahmeregeln für Praktikanten geändert

Geändert wurden außerdem die Ausnahmeregeln für Praktikanten: Zwar sind verpflichtende Praktika im Rahmen einer Ausbildung weiter grundsätzlich vom Mindestlohn ausgenommen. Bei Orientierungspraktika vor oder während einer Ausbildung gilt jedoch, dass erst nach drei Monaten und nicht wie bisher nach sechs Wochen der Mindestlohn gezahlt werden muss.

 
Geringfügige, sozialversicherungsfreie Beschäftigung im SGB IV neu definiert

Neu definiert wird darüber hinaus die geringfügige, sozialversicherungsfreie Beschäftigung im SGB IV. Demnach liegt diese nun vor, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450 Euro im Monat übersteigt. Bisher waren dies zwei Monate beziehungsweise 50 Arbeitstage. Kost und Logis von Saisonarbeitern können auf den Mindestlohn angerechnet werden. Laut Änderungsantrag soll diese Regelungen möglichen Problemen bei der Saisonarbeit durch Einführung des Mindestlohns Rechnung tragen.

 
SPD sieht Tarifautonomie insgesamt gestärkt

Einig waren sich in der Sitzung alle Fraktionen darin, dass es sich um eine Entscheidung mit historischer Dimension handelt. Die Beschlüsse trügen zweifellos die Züge eines «großen Kompromisses» und seien keineswegs eine Abkehr von der sozialen Marktwirtschaft, sondern deren Erweiterung, hieß es von CDU/CSU. Die SPD-Fraktion betonte, mit dem Gesetz werde nicht nur eine «untere Haltelinie» gezogen, sondern die Tarifautonomie insgesamt gestärkt.

 
Linke und Grüne kritisieren Ausnahmeregelungen für Jugendliche und Langzeitarbeitslose

Die Linke bezeichnete die Ausnahmeregelungen für unter 18-Jährige als Altersdiskriminierung und für Langzeitarbeitslose als entwürdigend. Die Grünen fragten, wie man angesichts der Ausnahmen von einem flächendeckenden Mindestlohn reden könne. In keinem anderen Land mit Mindestlöhnen gebe es eine solche Benachteiligung von Langzeitarbeitslosen und Jugendlichen, hieß es aus der Fraktion.

(Quelle Beck-Online)

RA Offermanns

04.07.2014

LAG Schleswig-Holstein: Ausschweifende private Internetnutzung rechtfertigt auch nach 21 Jahren Betriebszugehörigkeit Kündigung ohne Abmahnung

zu LAG Schleswig-Holstein, Entscheidung vom 06.05.2014 – 1 Sa 421/13.

Einem Arbeitnehmer, der den PC ohne Erlaubnis während der Arbeitszeit exzessiv für seine privaten Angelegenheiten nutzt, kann auch ohne Abmahnung nach 21 Jahren Betriebszugehörigkeit gekündigt werden. Dies stellt das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein klar (Entscheidung vom 06.05.2014, Az.: 1 Sa 421/13).
17.429 Dateien heruntergeladen

Der Arbeitgeber suchte die Ursache für eine massive Verlangsamung der Datenverarbeitungsprozesse im Unternehmen. Dabei stieß er darauf, dass vom PC des Klägers eine Software über ein Internetportal heruntergeladen wurde. Bei der Untersuchung des Rechners wurde festgestellt, dass sich auf dem PC 17.429 Dateien befunden hatten. Unter anderem waren der Besuch von Seiten der Internetportale facebook und Xing sowie ein umfangreicher Download von Filmen und Musik erkennbar. Die entsprechenden Dateien waren zwar gelöscht, die Löschung aber vom Arbeitgeber rückgängig gemacht worden. Der kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin fristgemäß. Im Prozess hat der Kläger bestritten, die Dateien auf seinen PC geladen zu haben. Das LAG sah den bestrittenen Umstand nach einer Beweisaufnahme dagegen als erwiesen an und wies, ebenso wie das Arbeitsgericht, die Kündigungsschutzklage ab.
LAG: Arbeitspflicht gravierend verletzt

Der Arbeitnehmer habe bei einer so exzessiven Nutzung des Internets seine Arbeitspflicht in besonders gravierendem Maße verletzt, betont das LAG. Am Arbeitsplatz dürfe der Arbeitnehmer den Dienstrechner grundsätzlich nur bei ausdrücklicher Erlaubnis oder nachweisbarer stillschweigender Duldung für private Zwecke nutzen. Von einer Duldung des Verhaltens durch den Arbeitgeber habe der Kläger aber bei einer derart ausschweifenden Nutzung während der Arbeitszeit nicht ausgehen dürfen. Außerdem habe er durch das Aufsuchen sogenannter Share-Plattformen zum Download von Musik auch konkret die Gefahr geschaffen, dass das betriebliche Datenverarbeitungssystem mit Viren infiziert wird. Angesichts des Umfangs der privaten Internetnutzung sei eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung trotz der langen Betriebszugehörigkeit nicht erforderlich gewesen. Dass Derartiges während der Arbeitszeit nicht erlaubt sei, müsse man wissen.

(Quelle Beck-Online)

 

RA Offermanns

Kündigung wegen Facebook Bildern?!

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die außerordentliche und ordentliche Kündigung einer Kinderkrankenpflegerin, die Fotos eines von ihr auf der Kinderintensivstation betreuten Kindes bei Facebook veröffentlich hatte, für unwirksam erachtet. Zwar könne die unerlaubte Veröffentlichung von Patientenbildern in einem sozialen Netzwerk grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Hier sei eine Kündigung – auch eine ordentliche – aber aufgrund der konkreten Umstände unverhältnismäßig und nur eine Abmahnung zulässig gewesen (Urteil vom 11.04.2014, Az.: 17 Sa 2200/13).

Krankenpflegerin veröffentlichte Fotos eines Kinderpatienten auf Facebook

Die Arbeitnehmerin wurde in einem Krankenhaus als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin beschäftigt. Sie betreute auf der Kinderintensivstation ein Kind, dessen Zwillingsschwester unmittelbar nach der Geburt verstorben war und dessen Mutter sich von ihm losgesagt hatte. Die Arbeitnehmerin veröffentlichte unerlaubt Fotografien von dem Kind auf ihrem Facebook-Auftritt und versah sie teilweise mit Kommentaren. Dabei wurde auch der Tod des Kindes mitgeteilt. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund sowie vorsorglich fristgemäß. Das Arbeitsgericht erachtete die Kündigung für unwirksam. Dagegen legte die Arbeitgeberin Berufung ein.

LAG: Unerlaubte Veröffentlichung von Patientenbildern in sozialem Netzwerk kann
außerordentliche Kündigung rechtfertigen

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das LAG hat die Kündigung ebenfalls für unwirksam gehalten. Zwar sei das Verhalten der Arbeitnehmerin grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Denn eine unerlaubte Veröffentlichung von Patientenbildern verstoße in erheblicher Weise gegen die Schweigepflicht und verletze die Persönlichkeitsrechte des Patienten. Dies gelte in besonderer Weise bei einer Veröffentlichung in einem sozialen Netzwerk, weil eine weitere Verbreitung der Bilder nicht kontrolliert werden könne.

Kündigung hier aber unverhältnismäßig

Im vorliegenden Fall war eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach Auffassung des LAG aber unverhältnismäßig. Die Arbeitgeberin hätte lediglich eine Abmahnung aussprechen dürfen. Das Gericht kommt nach Abwägung aller Umstände zu dem Ergebnis, dass von der Arbeitgeberin erwartet werden konnte, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen: Die Arbeitnehmerin habe eine emotionale Bindung zu dem Kind aufgebaut gehabt, der sie Ausdruck verliehen habe. Das Kind sei aufgrund der Bilder letztlich nicht zu identifizieren gewesen. Es sei durch die Bilder nicht bloßgestellt worden. Vielmehr sei die Veröffentlichung geeignet gewesen, den Betrachter für das Kind einzunehmen. Bei wem die Arbeitnehmerin beschäftigt gewesen sei, habe den Bildern nicht entnommen werden können. Auch habe es auf ihnen keinen Hinweis darauf gegeben, dass der Arbeitgeber derartige Veröffentlichungen billigen würde. Zudem habe die Arbeitnehmerin die Bilder unmittelbar nach den ersten Vorhaltungen durch den Arbeitgeber von ihrem Facebook-Auftritt entfernt.

Quelle: BeckOnline