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BGH: Versorgung eines verpachteten Grundstücks mit Strom führt zu stillschweigendem Liefervertrag mit Pächter

zu BGH, Urteil vom 02.07.2014 – VIII ZR 316/13.

Versorgt ein Energieversorgungsunternehmen ein Grundstück mit Strom, ohne dass es einen schriftlichen Liefervertrag gibt, und hat der Grundstückseigentümer das Grundstück verpachtet, so kommt bei Stromverbrauch durch den Pächter mit diesem stillschweigend ein Vertrag über die Stromlieferung zustande. Deswegen müsse sich das Energieversorgungsunternehmen mit seinen Zahlungsforderungen an den Pächter, nicht aber an den Eigentümer des Grundstückes wenden, so der Bundesgerichtshof (Urteil vom 02.07.2014, Az.: VIII ZR 316/13).
Grundstückseigentümer oder Pächter in Anspruch zu nehmen?

Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, begehrt vom Beklagten als Grundstückseigentümer eine Vergütung für Stromlieferungen in Höhe von 32.539,09 Euro. Der Beklagte hatte das versorgte Grundstück am 29.01.2007 erworben und am 02.02.2007 an seinen Sohn verpachtet. Nach dem Pachtvertrag war der Pächter verpflichtet, die Stromkosten aufgrund eines eigenen Vertrags mit dem Versorgungsunternehmen zu tragen.
Energieversorger richtet sich an Grundstückseigentümer

Der Pächter verbrauchte erhebliche Mengen an Strom, schloss jedoch keinen Stromversorgungsvertrag ab und teilte der Klägerin auch nicht mit, dass er Strom verbrauche. Die Klägerin ließ mehrfach auf dem Grundstück den Stromverbrauch ablesen und schickte die entsprechenden Rechnungen zunächst an die frühere Grundstückseigentümerin, die der Klägerin jeweils mitteilte, dass sie mit dem Grundbesitz nichts mehr zu tun habe. Am 14.12.2012 erstellte die Klägerin gegenüber dem Beklagten als Grundstückseigentümer eine Rechnung für den Zeitraum vom 01.02.2008 bis zum 30.11.2010 in Höhe von 32.539,09 Euro.
BGH: Energieversorgungsunternehmen kann nur Pächter in Anspruch nehmen

Das Landgericht hat die auf Zahlung dieses Betrages gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung sowie die vom BGH zugelassene Revision der Klägerin sind ohne Erfolg geblieben. Der BGH hat entschieden, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten kein Energieversorgungsvertrag zustande gekommen ist. Denn die Realofferte des Energieversorgungsunternehmens richte sich typischerweise an denjenigen, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Da es nicht maßgeblich auf die Eigentümerstellung selbst, sondern auf die hierdurch vermittelte Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ankommt, sei im Streitfall der Pächter des Grundstücks als Adressat des Vertragsangebots anzusehen, nicht der beklagte Eigentümer. Indem der Pächter Strom verbraucht habe, habe er aus objektiver Sicht des Energieversorgungsunternehmens die an ihn gerichtete Realofferte konkludent angenommen.
Kurzfristige und geringfügige Energieentnahmen für Feststellung der Vertragsparteien irrelevant

Die von der Klägerin behauptete, ganz geringfügige Energieentnahme durch den Beklagten in dem kurzen Zeitraum von wenigen Tagen zwischen Eigentumserwerb des Beklagten und Übergabe des Grundstücks an den Pächter führe zu keiner anderen Beurteilung, stellt der BGH klar. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen an stabilen Vertragsbeziehungen, deren Parteien mit angemessenem Aufwand zu ermitteln sind, seien derartige kurzfristige und geringfügige Energieentnahmen bei der Feststellung der Vertragsparteien zu vernachlässigen.

(Quelle Beck-Online)

Anmerkung

Mit der oben genannten Entscheidung ordnet der BGH den konkludenten Vertragsschluss dem Bereich privater Haushalte zu Grundversorgern nach § 2 Abs. 2 GVVStrom gleich.

Auch nach der GVV Strom kommt ein konkludenter Vertrag durch Abnahme von Strom, also der Annahme der Realofferte, nur mit dem jeweiligen Nutzer, in diesem Bereich etwa dem Mieter, zu Stande.

Das Verhältnis zwischen Anschlussnutzer und Anschlussnehmer wird in dieser Entscheidung konsequent fortgesetzt und der Vertrag zum tatsächlichen Nutzer bejaht.

 

RA Offermanns

07.07.2014

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