Bundesgerichtshof schafft weitere Klarheit zur Frage der Verwirkung von Elternunterhalt

Die Hürden für eine Verwirkung, d.h. für einen Ausschluss der Unterhaltspflicht von Kindern gegen über deren Eltern und Großeltern, sind und bleiben nach dem BGH-Beschluss vom 12.02.2014, Aktenzeichen: XII ZB 607/12, sehr hoch.

Im entschiedenen Fall wurde ein gut verdienender Beamter von der Hansestadt Bremen auf ca. 9.000,00 € Heimkosten in Anspruch genommen.

Die Höhe des geltend gemachten übergegangenen Unterhaltsanspruchs war in der Revisionsinstanz vor dem BGH unstreitig.

Es ging „nur“ noch um die Rechtsfrage der Verwirkung.

Diese hat der BGH klar verneint und den beklagten Beamten zur Zahlung verurteilt.

Der Kontaktabbruch des Vaters und die Enterbung des in Anspruch genommenen Sohnes reichen nach klarer Aussage des BGH für eine Verwirkung der Verpflichtung zur Zahlung von Elternunterhalt nicht aus.

Relevant bzw. bitter ist die Entscheidung vor allem für Kinder, deren Eltern im Alter verarmen oder welche, wie im vorliegenden Fall, die horrenden Kosten der Unterbringung in einem Pflegeheim nicht vollständig selbst tragen können.

Normalverdiener mit unterhaltspflichtigen Kindern müssen sich insoweit kaum Sorgen machen.

Der Selbstbehaltssatz beim Elternunterhalt beträgt derzeit 1.600,00 € und ist damit deutlich höher als etwa beim Ehegatten- oder Kindesunterhalt.

Zudem steht der Elternunterhalt und der Unterhalt von sonstigen Verwandent insb. Großeltern in der Rangfolge des § 1609 BGB erst an 6. bzw. 7. Stelle, d.h. zuerst werden alle anderen Unterhaltspflichten und der Selbstbehalt vom Einkommen abgezogen.

In vielen Fällen besteht daher schon kein Unterhaltsanspurch welcher auf Sozialleistungsträger übergehen kann.

Bestehen allerdings keine anderen vorrangigen Unterhaltspflichten mehr, kann insb. bei noch Berufstätigen der Selbstbehalt von 1.600,00 € nicht selten überschritten werden, so dass dann Unterhalt in Höhe der Differenz zwischen Einkommen und Selbstbehalt geschuldet ist.

So war es offenbar in dem vom BGH entschiedenen Fall, welcher dem Unterhaltspflichtigen Sohn – anders als Oberlandesgericht in der Berufungsinstanz – in der Revisionsinstanz nicht helfen wollte.

Die Entscheidung ist rechtsdogmatisch korrekt, d.h. fügt sich in die bisherige zurückhaltende Rechtsprechung zur Verwirkung ein.

Darüber, ob die Entscheidung die Überschrift im Namen des Volkes verdient hat, d.h. dem Rechtsempfinden einer Mehrheit der Bevölkerung entspricht, kann man dagegen trefflich streiten.

 

Frank Prescher
Rechtsanwalt
Anwaltsmediator

Bundesgerichtshof weist Musikindustrie bzgl. Urheberrechtsabmahnungen weiter in die Schranken

Der Bundesgerichtshof hat nach der Pressemitteilung Nr. 005/2014 vom 08.01.2014 folgendes entschieden:

„Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses für das Verhalten eines volljährigen Familienangehörigen nicht haftet, wenn er keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass dieser den Internetanschluss für illegales Filesharing missbraucht.“

Urheberrechtsverletzungen werden in aller Regel sehr streng geahndet. Daraus hatten die Musikindustrie und einige wenige ihr nachestehende Anwaltskanzleien versucht ein Geschäftsmodell zu lasten vieler kleiner Bürger zu machen.

Die Rechtsprechung ist schon seit einiger Zeit dabei, diesem Treiben Grenzen zu setzen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bringt hier in einem weiteren bislang hoch streitigen Punkt Klarheit zugunsten der häufig ahnungslosen Inhaber von Internetanschlüssen.

Doch Vorsicht! Ausreichend gesichert muss der Anschluss trotzdem sein. Das hatte der Bundesgerichtshof schon von einigen Jahren in der sog. WLAN-Entscheidung klargestellt.

 

Frank Prescher
Rechtsanwalt
Anwaltsmediator

Kündigung wegen Facebook Bildern?!

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die außerordentliche und ordentliche Kündigung einer Kinderkrankenpflegerin, die Fotos eines von ihr auf der Kinderintensivstation betreuten Kindes bei Facebook veröffentlich hatte, für unwirksam erachtet. Zwar könne die unerlaubte Veröffentlichung von Patientenbildern in einem sozialen Netzwerk grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Hier sei eine Kündigung – auch eine ordentliche – aber aufgrund der konkreten Umstände unverhältnismäßig und nur eine Abmahnung zulässig gewesen (Urteil vom 11.04.2014, Az.: 17 Sa 2200/13).

Krankenpflegerin veröffentlichte Fotos eines Kinderpatienten auf Facebook

Die Arbeitnehmerin wurde in einem Krankenhaus als Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin beschäftigt. Sie betreute auf der Kinderintensivstation ein Kind, dessen Zwillingsschwester unmittelbar nach der Geburt verstorben war und dessen Mutter sich von ihm losgesagt hatte. Die Arbeitnehmerin veröffentlichte unerlaubt Fotografien von dem Kind auf ihrem Facebook-Auftritt und versah sie teilweise mit Kommentaren. Dabei wurde auch der Tod des Kindes mitgeteilt. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund sowie vorsorglich fristgemäß. Das Arbeitsgericht erachtete die Kündigung für unwirksam. Dagegen legte die Arbeitgeberin Berufung ein.

LAG: Unerlaubte Veröffentlichung von Patientenbildern in sozialem Netzwerk kann
außerordentliche Kündigung rechtfertigen

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das LAG hat die Kündigung ebenfalls für unwirksam gehalten. Zwar sei das Verhalten der Arbeitnehmerin grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Denn eine unerlaubte Veröffentlichung von Patientenbildern verstoße in erheblicher Weise gegen die Schweigepflicht und verletze die Persönlichkeitsrechte des Patienten. Dies gelte in besonderer Weise bei einer Veröffentlichung in einem sozialen Netzwerk, weil eine weitere Verbreitung der Bilder nicht kontrolliert werden könne.

Kündigung hier aber unverhältnismäßig

Im vorliegenden Fall war eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach Auffassung des LAG aber unverhältnismäßig. Die Arbeitgeberin hätte lediglich eine Abmahnung aussprechen dürfen. Das Gericht kommt nach Abwägung aller Umstände zu dem Ergebnis, dass von der Arbeitgeberin erwartet werden konnte, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen: Die Arbeitnehmerin habe eine emotionale Bindung zu dem Kind aufgebaut gehabt, der sie Ausdruck verliehen habe. Das Kind sei aufgrund der Bilder letztlich nicht zu identifizieren gewesen. Es sei durch die Bilder nicht bloßgestellt worden. Vielmehr sei die Veröffentlichung geeignet gewesen, den Betrachter für das Kind einzunehmen. Bei wem die Arbeitnehmerin beschäftigt gewesen sei, habe den Bildern nicht entnommen werden können. Auch habe es auf ihnen keinen Hinweis darauf gegeben, dass der Arbeitgeber derartige Veröffentlichungen billigen würde. Zudem habe die Arbeitnehmerin die Bilder unmittelbar nach den ersten Vorhaltungen durch den Arbeitgeber von ihrem Facebook-Auftritt entfernt.

Quelle: BeckOnline

Verbraucherkredit – Rückforderung laufzeitunabhängiger Bearbeitungsentgelte

Zu BGH XI ZR 170/13

Zur vorgenannten Entscheidung liegt bislang nur die Pressemitteilung vor, die Veröffentlichung des vollständig abgefassten Urteils des BGH steht noch aus. (UPDATE: Link zum Urteil am Ende des Beitrags)

Mit dieser Entscheidung stehen die Chancen für Verbraucher sehr gut, bereits gezahlte Bearbeitungsentgelte zurückzufordern.

Der BGH stellte in oben genannter Entscheidung fest, dass die jeweiligen Klauseln der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB (AGB-Recht) unterliegen. Soweit neben den Darlehenszinsen weitere, insbesondere laufzeitunabhängige Bearbeitungsentgelte erhoben werden, verstößt dies gegen Treu und Glauben und benachteiligt den Verbraucher unangemessen. Begründet wird die Entscheidung damit, dass mit laufzeitunabhängigen Gebühren gegen das gesetzliche Leitbild aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen wird.

Mit der Feststellung der Unwirksamkeit solcher Klauseln ist der Weg für Verbraucher eröffnet, etwaige Zahlungen an die Bank auf der Grundlage einer ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 BGB zurückzufordern.

Herausgabe von Nutzungen

Überdies kann der Verbraucher im Falle der Rückforderung auch Nutzungen der Bank gemäß § 818 BGB heraus verlangen. Hier wird man regelmäßig den allgemeinen Verzugszins von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz in Ansatz bringen. Die Zinsen laufen in dem Fall ab der Zahlung des Bearbeitungsentgelts.

Verjährung

Noch nicht abschließend geklärt ist, ab welchem Zeitpunkt sich die jeweilige Bank auf eine Verjährung des Rückforderungsanspruchs berufen kann. Für den Beginn der Verjährung könnte hier auf die ersten Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte zu diesem Thema im Jahre 2010 abgestellt werden und ab diesem Zeitpunkt gewissermaßen eine Kenntnis des Verbrauchers fingiert und der Lauf der Verjährungsfrist in Gang gesetzt werden.

Der Geltendmachung von Zahlungen bis 2010 könnte daher die Einrede der Verjährung entgegengehalten werden.

Laufende Kredite

Nachdem jedoch auch mit verjährten Forderungen aufgerechnet werden kann, ist auch die Geltendmachung weiter zurückliegender Zahlungen von Bearbeitungsentgelten im Wege der Aufrechnung gegen laufende Zahlungen aus dem jeweiligen Kreditvertrag nicht ausgeschlossen.

Auch bei weiter zurückliegenden Zahlungen, jedoch noch laufenden Krediten, sollte die Rückforderung in Betracht gezogen werden.

 

Die Pressemitteilung finden Sie hier

 

UPDATE:

Die Entscheidung des BGH liegt nunmehr in Volltext vor.

 

RA Offermanns

04.07.2014

AG München: Streit mit Nachbarn rechtfertigt keinen Video-Türspion

zu AG München, Urteil vom 04.12.2013 – 413 C 26749/13.

Die Überwachung des Hausflurs mit einem Video-Türspion ist unzulässig. Dies gilt auch dann, wenn die Kamera aus Angst vor den Nachbarn eingesetzt wird. Denn die Videoüberwachung verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Mitmietern und Dritten, so das Amtsgericht München (Urteil vom 04.12.2013, Az.: 413 C 26749/13, rechtskräftig).
Mieterin setzte aus Angst vor Nachbarn Video-Türspion ein

Eine Münchnerin brachte an der Eingangstür ihrer im Erdgeschoß liegenden Etagenwohnung im Stadtgebiet von München einen elektrischen Video-Türspion an, da sie Angst vor ihren Etagennachbarn hatte. Der Türspion übertrug tagsüber im «Live-Modus» das Geschehen im Hausflur im Bereich unmittelbar vor der Wohnungseingangstür auf einen in der Wohnung befindlichen Bildschirm, fertigte aber keine Aufnahmen. In der Nacht war das Gerät auf «Automatikmodus» geschaltet. Bei Aktivierung des Bewegungsmelders wurde die Videokamera ausgelöst und das Geschehen im Flur/Treppenhaus im Bereich vor der Wohnungseingangstür der Beklagten aufgezeichnet und gespeichert. Diese Aufnahmen konnten dann auf dem Bildschirm in der Wohnung oder einem PC angesehen werden. Die beklagte Münchnerin sichtete morgens die Aufnahmen der vorangegangenen Nacht und löschte diese, sofern nichts Verdächtiges festgestellt wurde.
Vermieterin fordert Mieterin zu Entfernung der Kamera auf

Nachdem die Vermieterin die Kamera bei einer Hausbegehung entdeckt hatte, forderte sie die Mieterin auf, die Kamera zu entfernen, da die Überwachung des Hauseingangs einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Mitmieter und Besucher darstelle. Die Mieterin meint, zum Einbau und Betrieb des Türspions berechtigt zu sein, da sie Angst von ihren Nachbarn habe, mit denen sie sich seit Jahren im Streit befinde. Da sie sich weigerte, die Kamera abzubauen, verklagte sie die Vermieterin auf Entfernung der Videokamera.
Mitmieter haben Recht auf unüberwachten Zugang zu ihrer Wohnung

Das AG München gab der Vermieterin Recht. Diese könne die Beseitigung der Kamera verlangen, wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Mitmietern oder Dritten verletzt und dieser Eingriff nicht gerechtfertigt sei. Hierzu sei eine Interessenabwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten der Mitmieter und Dritten und dem Schutzinteresse der Vermieterin einerseits und dem Eigentumsrecht und Überwachungsinteresse der beklagten Mieterin andererseits vorzunehmen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG gebe dem einzelnen einen Anspruch auf Achtung der individuellen Persönlichkeit auch gegenüber einer Privatperson. Es umfasse auch die Freiheit vor unerwünschter Kontrolle oder Überwachung durch Dritte, insbesondere in der Privat- und Intimsphäre im häuslichen und privaten Bereich. Dies beinhalte für die Mitmieter nicht nur die Freiheit, die Wohnung oder das Haus zu verlassen oder zu betreten, ohne dass ein Mitmieter dies stets überwacht und jederzeit feststellen kann. Es beinhalte darüber hinaus auch das Recht, ungestört und nicht überwacht Besuch zu empfangen.
Privatsphäre der Mitmieter und Besucher massiv verletzt

Hier sei die Privatsphäre der Mitmieter und Besucher verletzt worden, da die Videoüberwachung und insbesondere die Videoaufzeichnung in der Nacht im häuslichen Bereich stattgefunden habe, so das AG München. Eine Überwachung des Hausflures, der Hauseingangstür oder anderer gemeinschaftsbezogener Flächen sei grundsätzlich unzulässig, da diese Bereiche allgemein zugänglich seien und nicht dem alleinigen Hoheitsbereich der beklagten Mieterin unterstünden oder ihrem alleinigen Hausrecht unterfielen. Denn die Mitmieter und Besucher, die berechtigt den Flur beziehungsweise das Treppenhaus beträten, würden per Video aufgenommen. Da die beklagte Mieterin im Erdgeschoss des Anwesens wohne, müssten die übrigen Mitmieter beziehungsweise deren Besucher an ihrer Wohnungseingangstür vorbei, um zu ihren Wohnungen zu gelangen. Somit würden sie, unabhängig von ihrem Verhalten, nachts gefilmt und die Aufnahmen würden gespeichert. Die Beklagte entscheide allein, ob die Aufnahmen gelöscht werden oder nicht. Dies stelle eine massive Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Mitmieter und Besucher dar.
Streitigkeiten mit Nachbarn rechtfertigten Videoüberwachung nicht

Das Gericht stellt weiter fest, dass dieser Eingriff ist auch nicht gerechtfertigt war wegen der Streitigkeiten mit den Nachbarn. Eine Überwachung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Überwachung zur Abwehr unmittelbar bevorstehender Angriffe auf die Person der Mieterin notwendig war beziehungsweise ist und dieser Gefahr nicht anders begegnet werden kann. Die Fertigung und Speicherung von Aufnahmen sei dagegen völlig unabhängig von dem Verhalten der gefilmten Person erfolgt. Die beklagte Mieterin habe zudem andere Möglichkeiten gehabt, etwaigen Angriffen beziehungsweise Streitigkeiten mit den Nachbarn zu begegnen. Bei gravierenden Vorfällen bleibe es ihr unbenommen, die Polizei einzuschalten. Sofern es sich um weniger schwerwiegende Vorfälle handele, könne sie sich zudem selbst so verhalten, dass die Situation nicht eskaliert.
(Quelle Beck-Online)