BGH schafft weitere Klarheit zur Frage der Befristung von Ehegattenunterhalt – hier bei Renteneintritt des unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten

Mit dem Renteneintritt des unterhaltspflichtigen Ehegatten ändert sich dessen Einkommenssituation in aller Regel so erheblich, dass die Abänderung eines bestehenden Unterhaltstitels möglich und notwendig ist.

Nach einer aktuellen Entscheidung des BGH kann dies auch zum Ende der Pflicht zur Unterhaltszahlung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Berfristung führen.
Dies selbst dann, wenn der Unterhaltsberechtigte dauerhaft erkrankt ist.

In dem vom BGH jetzt entschiedenen Fall hatte der unterhaltspflichtige Ehemann die Befristung des an seine Ehefrau zu zahlenden Unterhalts ab seinem Renteneintritt geltend gemacht.

Die Ehegatten waren bei Renteneintritt des Ehemanns bereits langjährig geschieden.

Der unterhaltspflichtige Ehemann hatte somit während seiner Erwerbstätigkeit bereits langjährig Unterhalt an seine geschiedene Ehefrau gezahlt.

Damit lagen bereits einige wesentliche Grundvoraussetzungen für die Befristung des Ehegattenunterhalts vor.

In erster Instanz vor dem Amtsgericht – Familiengericht – wurde dem Begehren des Ehemanns auf Befristung stattgegeben.

Das Oberlandesgericht (OLG) sah dies in zweiter Instanz etwas anders, d.h. lehnte die Befristung des Unterhalts zum Renteneintritt ab, reduzierte aber den Unterhaltszahlbetrag deutlich.

Der BGH hat die zweitinstanzliche Entscheidung des OLG aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

In seiner Entscheidung positioniert sich der BGH im Ergebnis klar für eine Befristung.

Dabei schafft der BGH bei der maßgeblichen Frage eines ehebedingten Nachteils u.a. Klarheit dazu, dass eine Krankheit des Unterhaltsberechtigten in der Regel kein ehebedingter Nachteil ist.

Soweit – wie im entschiedenen Fall – der Unterhaltsberechtigte ausreichende Altersvorsorgen aufbauen konnte, soll es nach der BGH-Entscheidung auch keinen ehebedingten Nachteil darstellen, dass ohne die Ehe durch den Unterhaltsberechtigten höhere Altersvorsorgen hätten gebildet werden können.

Im vom BGH entschiedenen Fall lagen somit keine ehebedingten Nachteile (mehr) vor, so dass eine Befristung möglich ist.

Die für eine Befristung notwendige Abwägung wollte der BGH dem OLG allerdings nicht abnehmen und hat die Sache daher an das OLG zurückverwiesen.

Vor dem OLG hat der unterhaltspflichtige Ehemann nach den Ausführungen des BGH begründete Aussicht auf eine endgültige Befristung seiner Unterhaltszahlungspflicht.

Nachdem seit dem Renteneintritt des Ehemann bis zu BGH-Entscheidung bereits drei Jahre vergangen sind, wird die spannendste Frage vor dem OLG nun sein, ob die Befristung, was durchaus möglich ist, rückwirkend zum Renteneintritt anerkannt wird oder aber zu einem späteren Zeitpunkt, etwa der BGH-Entscheidung.

Die vorangegangene Entscheidung des OLG und der darin zum Ausdruck kommende Versuch einer salomonischen Lösung, lässt eher letzteres vermuten. Für den Ehemann würde dies bedeuten, dass er eine Befristung erhält, jedoch nicht zum begehrten Zeitpunkt.

Er müsste – soweit er nicht ohnehin unter Vorbehalt gezahlt haben sollte – noch eine fixe Summe an Unterhalt nachzahlen.

Damit wäre dann aber endgültig Schluss mit der Zahlung von Unterhalt an seine geschiedene Ehefrau.

Aus Sicht des unterhaltspflichtigen Ehemanns könnte man diese Lösung am besten mit dem Sprichwort: „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!“ umschreiben.

Unterhaltsberechtigte Ehegatten müssen sich nach der BGH-Entscheidung mehr denn je darauf einstellen, dass sie nicht (mehr) bis an ihr Lebensende Anspruch auf Unterhalt haben, sondern vielmehr nicht nur das Gesetz, sondern mehr und mehr auch die Gerichte erwarten, dass die Eigenverantwortung wahrgenommen und sich nicht auf der Einkommenssituation des anderen „ausgeruht“ wird.

Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen.

Sie rundet die bisherige Rechtsprechung zum Thema Befristung von Ehegattenunterhalt zutreffend ab.

BGH, Beschluss vom 14.05.2014, Az.: XII ZB 301/12

Frank Prescher
Rechtsanwalt
Anwaltsmediator

„Waldmeister“ ist kein geeigneter Vorname für ein Kind!

Das OLG Bremen musste sich mit dem Begehren von Eltern auseinandersetzen, die ihrem Sprössling „Waldmeister“ als dritten Vornahmen geben wollten.

Das zuständige Standesamt hatte dieses Begehren der Eltern bereits abgelehnt und dazu darauf verwiesen, dass die Bezeichnung „Waldmeister“ das Kind der Gefahr aussetzen würde, der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden.

Das OLG Bremen hat diese Auffassung des Standesamts zutreffend bestätigt und dabei u.a. darauf verwiesen, dass die Bezeichnung „Waldmeister“ üblicherweise mit einer Geschmacksrichtung insb. für Speiseeis und Erfrischungsgetränke sowie der Pflanze assoziiert wird. Waldmeister als Vorname würde daher als lächerlich empfunden.

Es kann davon ausgegangen werden, dass das Kind dem Standesamt und dem OLG Bremen für deren Entscheidungen sicher früher oder später noch dankbar sein wird.

Die Entscheidung zeigt, dass es in unserer „freiheitlichen“ Welt nichts gibt, was es nicht gibt.

Den enttäuschten Eltern bleibt, sollten sie die Entscheidung des OLG Bremen nicht akzeptieren, aber zumindest die Möglichkeit ihr Kind kreativ zu fördern und diesem dann „Waldmeister“ als Künstlernamen zu geben. Auf diese künstlerische Freiheit haben – anders als beim amtlichen Namensrecht – weder das Standesamt noch das OLG Bremen Einfluss.

OLG Bremen, Beschluss vom 20.06.2014, Az.: 1 W 19/14

Frank Prescher
Rechtsanwalt
Anwaltsmediator

SG Heilbronn: Sturz unter Alkoholeinfluss bei Tagung ist Arbeitsunfall

Wer bei einer beruflichen Tagung zu tief ins Glas schaut und deswegen stürzt, muss dies als Arbeitsunfall anerkannt bekommen. Diese Ansicht vertritt das Sozialgericht Heilbronn. Auch bei einem abendlichen Zusammensein im Hotel, das zur Trunkenheit geführt habe, sei über Dienstliches geredet worden.
Kläger nach Sturz unter Alkoholeinfluss längere Zeit arbeitsunfähig

Kläger war ein 58 Jahre alter Betriebsrat eines internationalen Konzerns mit Sitz in der Region Stuttgart. Im April 2010 hatte in einem Hotel eine dreitägige Betriebsräte-Versammlung stattgefunden. Diese dauerte am ersten Abend bis etwa 19.30 Uhr. Mit einem Blutalkoholspiegel von 1,99 Promille stürzte der Kläger in der Nacht im Treppenhaus des Tagungshotels. Er wurde mit Kopf- und Lungenverletzungen bewusstlos in die Notaufnahme gebracht. Danach war er längere Zeit arbeitsunfähig.
SG erkennt Sturz als Arbeitsunfall an

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Der Kläger argumentierte, es sei bei Tagungen üblich, auch beim abendlichen geselligen Zusammensein unter Kollegen über betriebliche Belange zu sprechen. Das SG Heilbronn verpflichtete die Berufsgenossenschaft ETEM (Energie, Textil, Elektro, Medienerzeugnisse) nun, den Sturz auf der Tagung als Arbeitsunfall anzuerkennen. Beim geselligen Beisammensein sei auch Dienstliches besprochen worden. Im Übrigen habe sich der Arbeitsunfall auf dem Rückweg zum Hotelzimmer ereignet.

 

(Quelle Beck-Online)

BGH: Falschparker müssen keine unangemessen hohen Abschleppkosten zahlen

zu BGH, Urteil vom 04.07.2014 – V ZR 229/13 .

Falschparker müssen dem Besitzer einer Parkfläche (hier: Kundenparkplatz eines Fitnessstudios) keine unangemessen hohen Abschleppkosten, sondern nur die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und die Vorbereitung des Abschleppvorgangs zahlen. Dies geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 04.07.2014 hervor, mit dem dieser seine bisherige Rechtsprechung bestätigt (Az.: V ZR 229/13).
Kläger hält Abschleppkosten für zu hoch

Der Pkw des Klägers wurde unberechtigt auf dem als solchen gekennzeichneten Kundenparkplatz eines Fitnessstudios abgestellt. Dessen Betreiberin beauftragte die Beklagte aufgrund eines mit dieser abgeschlossenen Rahmenvertrags mit dem Entfernen des Fahrzeugs. Hierfür war ein Pauschalbetrag von 250 Euro netto vereinbart. Die aus dem unberechtigten Parken entstandenen Ansprüche gegen den Kläger trat die Betreiberin des Studios an die Beklagte ab. Der Kläger hielt den von der Beklagten geforderten Betrag für zu hoch. Das Amtsgericht entschied unter anderem, dass der Kläger von den Abschleppkosten nur 100 Euro zu tragen hat. Das Landgericht änderte die vom Kläger zu tragenden Abschleppkosten im Ergebnis auf 175 Euro ab. Beide Parteien gingen in Revision.
BGH: Falschparker muss Abschleppkosten erstatten

Der BGH hat die Sache hinsichtlich der konkreten Höhe der von dem Kläger zu tragenden Abschleppkosten an das Landgericht zurückverwiesen. Er führt in Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung aus, dass das unberechtigte Abstellen von Fahrzeugen auf einem Kundenparkplatz eine Besitzstörung darstelle, die der Besitzer der Parkflächen im Wege der Selbsthilfe beenden dürfe, indem er das Fahrzeug abschleppen lässt. Damit könne er schon im Vorfeld eines Parkverstoßes ein darauf spezialisiertes Unternehmen beauftragen. Die durch den konkreten Abschleppvorgang entstandenen Kosten müsse der Falschparker erstatten, soweit sie in einem adäquaten Zusammenhang mit dem Parkverstoß stünden.
Abschleppkosten umfassen auch Kosten für Vorbereitung des Abschleppvorgangs

Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören dabei laut BGH nicht nur die reinen Abschleppkosten, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs entstanden seien, etwa durch die Überprüfung des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs, um den Halter ausfindig zu machen, das Anfordern eines geeigneten Abschleppfahrzeugs, das Prüfen des Fahrzeugs auf Sicherung gegen unbefugtes Benutzen, dessen Besichtigung von Inneren und Außen und die Protokollierung etwa vorhandener Schäden. Nicht zu erstatten seien hingegen die Kosten für die Bearbeitung und außergerichtliche Abwicklung des Schadenersatzanspruchs des Besitzers, weil sie nicht unmittelbar der Beseitigung der Störung dienen. Auch Kosten für die Überwachung der Parkflächen im Hinblick auf unberechtigtes Parken müsse der Falschparker nicht ersetzen. Ihnen fehle der Bezug zu dem konkreten Parkverstoß, da sie unabhängig davon entstünden.
Ortsübliche Abschleppkosten zu ersetzen

Begrenzt werde die Ersatzpflicht des Falschparkers durch das Wirtschaftlichkeitsgebot, so der BGH weiter. Nur diejenigen Aufwendungen seien zu erstatten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Besitzers der Parkflächen machen würde. Maßgeblich sei, wie hoch die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und die unmittelbar mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs verbundenen Dienstleistungen seien. Regionale Unterschiede seien zu berücksichtigen. Das Landgericht müsse dies nun durch Preisvergleich, notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens klären.

 

(Quelle Beck-Online)

,

BGH: Versorgung eines verpachteten Grundstücks mit Strom führt zu stillschweigendem Liefervertrag mit Pächter

zu BGH, Urteil vom 02.07.2014 – VIII ZR 316/13.

Versorgt ein Energieversorgungsunternehmen ein Grundstück mit Strom, ohne dass es einen schriftlichen Liefervertrag gibt, und hat der Grundstückseigentümer das Grundstück verpachtet, so kommt bei Stromverbrauch durch den Pächter mit diesem stillschweigend ein Vertrag über die Stromlieferung zustande. Deswegen müsse sich das Energieversorgungsunternehmen mit seinen Zahlungsforderungen an den Pächter, nicht aber an den Eigentümer des Grundstückes wenden, so der Bundesgerichtshof (Urteil vom 02.07.2014, Az.: VIII ZR 316/13).
Grundstückseigentümer oder Pächter in Anspruch zu nehmen?

Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, begehrt vom Beklagten als Grundstückseigentümer eine Vergütung für Stromlieferungen in Höhe von 32.539,09 Euro. Der Beklagte hatte das versorgte Grundstück am 29.01.2007 erworben und am 02.02.2007 an seinen Sohn verpachtet. Nach dem Pachtvertrag war der Pächter verpflichtet, die Stromkosten aufgrund eines eigenen Vertrags mit dem Versorgungsunternehmen zu tragen.
Energieversorger richtet sich an Grundstückseigentümer

Der Pächter verbrauchte erhebliche Mengen an Strom, schloss jedoch keinen Stromversorgungsvertrag ab und teilte der Klägerin auch nicht mit, dass er Strom verbrauche. Die Klägerin ließ mehrfach auf dem Grundstück den Stromverbrauch ablesen und schickte die entsprechenden Rechnungen zunächst an die frühere Grundstückseigentümerin, die der Klägerin jeweils mitteilte, dass sie mit dem Grundbesitz nichts mehr zu tun habe. Am 14.12.2012 erstellte die Klägerin gegenüber dem Beklagten als Grundstückseigentümer eine Rechnung für den Zeitraum vom 01.02.2008 bis zum 30.11.2010 in Höhe von 32.539,09 Euro.
BGH: Energieversorgungsunternehmen kann nur Pächter in Anspruch nehmen

Das Landgericht hat die auf Zahlung dieses Betrages gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung sowie die vom BGH zugelassene Revision der Klägerin sind ohne Erfolg geblieben. Der BGH hat entschieden, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten kein Energieversorgungsvertrag zustande gekommen ist. Denn die Realofferte des Energieversorgungsunternehmens richte sich typischerweise an denjenigen, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Da es nicht maßgeblich auf die Eigentümerstellung selbst, sondern auf die hierdurch vermittelte Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ankommt, sei im Streitfall der Pächter des Grundstücks als Adressat des Vertragsangebots anzusehen, nicht der beklagte Eigentümer. Indem der Pächter Strom verbraucht habe, habe er aus objektiver Sicht des Energieversorgungsunternehmens die an ihn gerichtete Realofferte konkludent angenommen.
Kurzfristige und geringfügige Energieentnahmen für Feststellung der Vertragsparteien irrelevant

Die von der Klägerin behauptete, ganz geringfügige Energieentnahme durch den Beklagten in dem kurzen Zeitraum von wenigen Tagen zwischen Eigentumserwerb des Beklagten und Übergabe des Grundstücks an den Pächter führe zu keiner anderen Beurteilung, stellt der BGH klar. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen an stabilen Vertragsbeziehungen, deren Parteien mit angemessenem Aufwand zu ermitteln sind, seien derartige kurzfristige und geringfügige Energieentnahmen bei der Feststellung der Vertragsparteien zu vernachlässigen.

(Quelle Beck-Online)

Anmerkung

Mit der oben genannten Entscheidung ordnet der BGH den konkludenten Vertragsschluss dem Bereich privater Haushalte zu Grundversorgern nach § 2 Abs. 2 GVVStrom gleich.

Auch nach der GVV Strom kommt ein konkludenter Vertrag durch Abnahme von Strom, also der Annahme der Realofferte, nur mit dem jeweiligen Nutzer, in diesem Bereich etwa dem Mieter, zu Stande.

Das Verhältnis zwischen Anschlussnutzer und Anschlussnehmer wird in dieser Entscheidung konsequent fortgesetzt und der Vertrag zum tatsächlichen Nutzer bejaht.

 

RA Offermanns

07.07.2014

Mindestlohn-Erhöhung kommt früher als zunächst geplant

Der Mindestlohn von 8,50 Euro soll ein Jahr früher als ursprünglich geplant angehoben werden. Das sieht die geänderte Fassung des Tarifautonomiestärkungsgesetzes (BT-Drs. 18/1558, 18(11)183) der Bundesregierung vor, das der Bundestags-Ausschuss für Arbeit und Soziales am 02.07.2014 mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen hat. Die Linke enthielt sich. Am 03.07.2014 wird der Bundestag in abschließender Lesung über den Entwurf beraten, wie die Bundestagspressestelle mitteilt.

 
Mindestlohn von 8,50 Euro wird ab 2017 voll greifen

Das Tarifpaket sieht vor, erstmals in Deutschland einen flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro ab 2015 einzuführen. Tarifverträge mit einem niedrigeren Brutto-Stundenlohn sollen in einer Übergangsphase jedoch bis Ende 2016 gültig bleiben können, sodass der Mindestlohn erst ab 2017 voll greift. Über die geplanten Ausnahmeregelungen und andere Detailfragen wie die Arbeit der Mindestlohnkommission hatte es jedoch bis zuletzt Diskussionen gegeben. Erst am 30.06.2014 fand dazu eine Expertenanhörung im Bundestag statt.

 
Neu: Separate Übergangslösungen für Zeitungsbranche

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen sieht nun vor, dass die Mindestlohnkommission nicht jährlich, sondern alle zwei Jahre über eine Anpassung des Mindestlohns, orientiert an der nachlaufenden Tarifentwicklung, entscheidet. Der Zeitpunkt der erstmaligen Erhöhung des Mindestlohns wird jedoch von 2018 auf 2017 vorverlegt. Neu sind auch separate Übergangslösungen für die Zeitungsbranche: So sollen Zeitungszusteller ab 2015 einen Anspruch auf 75%, ab 2016 auf 85% und ab 2017 dann auf 8,50 Euro pro Stunde haben. Für alle anderen Branchen sind Übergangslösungen nur aufgrund von Tarifverträgen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz möglich.

 
Auch Ausnahmeregeln für Praktikanten geändert

Geändert wurden außerdem die Ausnahmeregeln für Praktikanten: Zwar sind verpflichtende Praktika im Rahmen einer Ausbildung weiter grundsätzlich vom Mindestlohn ausgenommen. Bei Orientierungspraktika vor oder während einer Ausbildung gilt jedoch, dass erst nach drei Monaten und nicht wie bisher nach sechs Wochen der Mindestlohn gezahlt werden muss.

 
Geringfügige, sozialversicherungsfreie Beschäftigung im SGB IV neu definiert

Neu definiert wird darüber hinaus die geringfügige, sozialversicherungsfreie Beschäftigung im SGB IV. Demnach liegt diese nun vor, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450 Euro im Monat übersteigt. Bisher waren dies zwei Monate beziehungsweise 50 Arbeitstage. Kost und Logis von Saisonarbeitern können auf den Mindestlohn angerechnet werden. Laut Änderungsantrag soll diese Regelungen möglichen Problemen bei der Saisonarbeit durch Einführung des Mindestlohns Rechnung tragen.

 
SPD sieht Tarifautonomie insgesamt gestärkt

Einig waren sich in der Sitzung alle Fraktionen darin, dass es sich um eine Entscheidung mit historischer Dimension handelt. Die Beschlüsse trügen zweifellos die Züge eines «großen Kompromisses» und seien keineswegs eine Abkehr von der sozialen Marktwirtschaft, sondern deren Erweiterung, hieß es von CDU/CSU. Die SPD-Fraktion betonte, mit dem Gesetz werde nicht nur eine «untere Haltelinie» gezogen, sondern die Tarifautonomie insgesamt gestärkt.

 
Linke und Grüne kritisieren Ausnahmeregelungen für Jugendliche und Langzeitarbeitslose

Die Linke bezeichnete die Ausnahmeregelungen für unter 18-Jährige als Altersdiskriminierung und für Langzeitarbeitslose als entwürdigend. Die Grünen fragten, wie man angesichts der Ausnahmen von einem flächendeckenden Mindestlohn reden könne. In keinem anderen Land mit Mindestlöhnen gebe es eine solche Benachteiligung von Langzeitarbeitslosen und Jugendlichen, hieß es aus der Fraktion.

(Quelle Beck-Online)

RA Offermanns

04.07.2014